Kinder warten draußen – Senioren blockieren die Hallen
Wenn Kinder draußen bleiben – Hallenplätze in der Wintersaison zwischen Seniorenluxus und Nachwuchsförderung
Der deutsche Tennissport klagt seit Jahren über fehlenden Nachwuchs, stagnierende Mitgliederzahlen und die immer dünner werdende Spitze im Profibereich. Während in Fußballakademien täglich hunderte Kinder kicken, ist im Tennis der Zugang zu Trainingszeiten längst ein Nadelöhr geworden. Besonders in der Wintersaison offenbart sich ein eklatantes Problem: Die wenigen verfügbaren Hallenplätze sind ausgerechnet in den entscheidenden Nachmittagsstunden oft blockiert – nicht von Kindern, sondern von Senioren.
Ein ungleiches Ringen um Zeit und Raum
Zwischen 15 und 19 Uhr, wenn Kinder und Jugendliche direkt nach der Schule trainieren könnten, herrscht Hochbetrieb in den Hallen. Doch viele Plätze sind durch Abo-Buchungen von Rentnern belegt, die ihre festen Slots Jahr für Jahr behalten. Für Vereine und Trainer bleibt kaum Spielraum, Kindern die dringend nötigen Stunden zu sichern. Die Folge: Nachwuchsarbeit verkommt vielerorts zum Restprogramm – man trainiert, wenn zufällig etwas frei ist.
Die Schieflage hat dramatische Folgen: Talente stagnieren, Eltern werden frustriert, ambitionierte Jugendliche wechseln zu anderen Sportarten. Wer im Tennis etwas werden will, braucht Wiederholung, Rhythmus und konstante Förderung – keine Trainingstermine, die zwischen Abendbrot und Hausaufgaben gequetscht sind, weil alle „guten“ Zeiten schon vergeben sind.

Warum dieses System unfair ist
Das Problem ist nicht, dass Senioren Tennis spielen – im Gegenteil, Tennis ist eine Sportart für jedes Alter. Doch es ist ein Irrsinn, wenn ausgerechnet jene, die zeitlich flexibel sind, die wertvollsten Slots blockieren. Kinder sind nun einmal zwischen 8 und 15 Uhr in der Schule. Senioren hingegen haben den Luxus, am Vormittag, frühen Nachmittag oder sogar am Vormittag eines Wochentages zu spielen.
Wenn diese Gruppen gegeneinander um dieselben Zeiten konkurrieren, verliert fast immer die schwächere Stimme – die Kinder. Nicht, weil sie weniger zahlen würden, sondern weil sie organisatorisch keine Lobby haben. Vereine sichern sich über Abo-Buchungen verlässliche Einnahmen, doch übersehen dabei, dass sie langfristig die Basis ihrer Zukunft verspielen.
Lösungsansätze: Von Preisstaffeln bis Freigabe-Regeln
Es gibt Möglichkeiten, diesen Missstand zu beheben, ohne jemanden auszugrenzen:
- Automatische Freigabe ungenutzter Abo-Stunden: Wer seine gebuchte Zeit nicht wahrnimmt, muss den Platz rechtzeitig stornieren. Das System gibt ihn frei, sodass Trainer oder Kinder einspringen können. Moderne Online-Buchungssysteme machen das längst möglich.
- Preisliche Steuerung: Warum zahlen Kinder und Senioren dieselben Tarife in der Primetime? Eine Staffelung könnte den Unterschied machen:
- Kinder und Jugendliche erhalten Vorzugspreise zwischen 15 und 19 Uhr.
- Senioren zahlen in dieser Zeit mehr, bekommen aber vormittags oder mittags extrem günstige Konditionen – etwa symbolisch einen Euro.
- So entsteht ein finanzieller Anreiz, sich dorthin zu orientieren, wo es den Kindern nicht weh tut.
- Vereinsinterne Quotenregelungen: Hallen sollten verpflichtet werden, einen bestimmten Prozentsatz der Nachmittagsplätze exklusiv für Nachwuchstraining freizuhalten. Wer ernsthaft Nachwuchsförderung betreiben will, muss sie nicht nur predigen, sondern aktiv ermöglichen.
Ein Weckruf für Vereine und Verbände
Es ist bequem, den Status quo zu akzeptieren: Die Halle ist voll, die Kasse stimmt. Doch langfristig ist dieses Denken brandgefährlich. Ohne Kinder gibt es morgen keine Mitglieder mehr, keine Mannschaften, keine Trainerstunden. Tennis lebt von der Begeisterung der Jugend – und genau die wird derzeit an den Eingangstüren vieler Hallen abgewiesen.
Wer Nachwuchsarbeit ernst nimmt, muss unbequeme Fragen stellen und klare Prioritäten setzen. Es kann nicht sein, dass Bequemlichkeit und Besitzstandswahrung schwerer wiegen als Zukunft. Tennis braucht den Mut zur Reform – und den Willen, endlich für jene Platz zu schaffen, die morgen den Sport tragen sollen.